Allgemeine Informationen



08/16 hat mindestens zwei Seiten!

Nachfolgend lesen Sie einen Artikel, den Pastor Heino Masemann für die christliche Zeitschrift "Schritte" 1997 verfasste.
Aus heiterem Himmel erreichte mich der Anruf: "Wir sind eine Gruppe von jungen Christen aus verschiedenen Gemeinden und wünschen uns einen zeitgemäßen Gottesdienst in unserer Region" hörte ich einen jungen Mann am anderen Ende der Leitung sagen. "Und wir haben gehört, daß Sie für solche Gedanken ein offenes Herz haben." Das war im Frühjahr 1993.

Am 1. September 1991 hatte ich meine Pfarrstelle in Bevern angetreten. Eine Dorfgemeinde im Elbe-Weser-Dreieck mit 1350 Mitgliedern. Schon damals bewegte mich der Gedanke an einen Gottesdienst, der die positiven Impulse charismatischer Lobpreisgottesdienste aufnehmen und zugleich so geartet sein sollte, daß sich auch entkirchlichte Menschen darin wohlfühlen können. Einen "zeitgemäßen" Gottesdienst, in dem die Menschen unserer norddeutschen Dörfer etwas von Gottes Liebe und Herrlichkeit erfahren und vielleicht sogar erleben könnten.

Nur die Glocken zu läuten reicht nicht

Ich bin nämlich zutiefst überzeugt, daß der größte Teil der Menschen, die nicht in unsere Gottesdienste und Gemeindeveranstaltungen kommen, dennoch Interesse an Gott und am Glauben haben. Viele von ihnen stehen dem Glauben an Jesus nur deswegen (noch) fern, weil sie bisher nicht wissen, wie sie sich Gott und seiner irdischen Gemeinde nähern können.

Darum reicht es nicht aus, daß wir Christen die Glocken unserer Kirchen läuten und darauf warten, daß Menschen sich darin versammeln. Wir sind herausgefordert zu überlegen, wie wir den Menschen unserer Zeit einen ihnen gemäßen Zugang zum Glauben aufzeigen können.

Jener Anrufer stieß demzufolge bei mir auf offene Ohren. Zumal seinerzeit meine Überlegungen durch die ersten Berichte über die Willow Creek-Gemeinde bestärkt wurden.Wie sich bald herausstellte,sprach jener junge Mann für eine Gruppe von etwa zehn engagierten Christen. Sie alle hatten auf irgendeine Weise positive Erfahrungen mit dem Glauben an Jesus gemacht hatten. Und waren zugleich von den Erfahrungen in der Ortgemeinde und den dortigen Gottesdiensten verschreckt worden. Diese Leute wollten ihre Begeisterung für Jesus gerne an ihre Freunde weitergeben wollten, aber nicht wußten, wohin sie diese Freunde einladen sollten.

Bald nach jenem Telefonat setzen wir uns zusammen und machen uns auf den Weg zu einem "zeitgemäßen Gottesdienst". Ein langer Weg, wie sich herausstellen sollte. Zwar stimmte unser Kirchenvorstand diesem zusätzlichen Gottesdienst recht schnell zu, doch die Vorbereitungsphase im Team kostete viel Zeit und Kraft. Mehr, als sich einige der Mitarbeiter vorgestellt hatten: etwa die Hälfte der ürsprünglich Engagierten verließen während dieser "Grundlagenarbeit" unser Team. Gleichzeitig fanden sich aber andere Christen, die sich unserer Gruppe fröhlich anschlossen. Da wir an einem Gottesdienst arbeiteten, der nicht nach gewohntem Schema ("08/15") gefeiert werden sollte, nannten wir uns bald "Initiative gottesdienst 08/16".

Ein Gottesdienst, zu dem man andere einladen kann

Als Zielsetzung für den "gottesdienst 08/16" formulierten wir schließlich:


  • Wir möchten Menschen, die von Gott getrennt sind, zu einem persönlichen Glauben an Jesus Christus einladen.

  • Wir möchten einen evangelistischen Gottesdienst anbieten, zu dem Christen ihre entkirchlichten Freunde und Bekannten gerne einladen. Der Gottesdienst soll daher ein zusätzliches Angebot zu den gemeindlichen Gottesdiensten in unserer Region sein. Nachdem wir darin einig waren, worauf wir mit "unserem" neuen Gottesdienstangebot hinauswollten, dachten wir über den Weg zu diesem Ziel nach. Auch dieses Ergebnis wurde schriftlich festgehalten:

  • Die Gottesdienstbesucher sind unsere Gäste. Wir mühen uns darum, ihnen einen schönen Abend in guter Gemeinschaft zur Ehre Gottes zu bieten.

  • Die Einladung zu einem persönlichen Glauben an Jesus Christus soll ergehen, indem wir mit Menschen einen Gottesdienst feiern, in welchem ihnen die Liebe Gottes in Jesus nicht nur gesagt , sondern auch ein Stück weit erfahrbar wird.

    Wir legen in diesem Zusammenhang Wert auf eine fröhliche und freundliche Atmosphäre im Gottesdienst; denn das Evangelium von Jesus Christus ist eine frohe Botschaft und lädt zu einem fröhlichen Leben ein.

  • Die Musik im Gottesdienst soll zu einer entspannten Atmosphäre beitragen. Die Lieder müssen auch für Menschen singbar sein, die sonst nicht singen bzw. keine christlichen Lieder kennen.

  • Der Ablauf des Gottesdienstes und seine einzelnen Elemente müssen für die Besucher durchschaubar und verständlich sein, damit sie den Gottesdienst mitfeiern können.

  • Die Verkündigung muß missionarisch ausgerichtet sein und in verständlicher und lebensnaher Weise die Gottesdienstbesucher zu einem bewußten Schritt im Glauben einladen.Da auch zahlreiche Christen den Gottesdienst besuchen, ist es aber durchaus angemessen, wenn die Predigt auch glaubensvertiefende Impulse gibt.

  • Um unsere Zielgruppe auf den gottesdienst 08/16 aufmerksam zu machen und zum Kommen zu ermutigen, bedarf es einer intensiven und kreativen Öffentlichkeitsarbeit.

  • Jeder gottesdienst 08/16 wird im Vorbereitungskreis angedacht. In gabenorientierten Teams werden die einzelnen Bausteine des Gottesdienstes anschließend vorbereitet und umgesetzt.

  • Der Pastor ist der geistliche Leiter des Gottesdienst-Teams, aber im Gottesdienst selbst ist er nur einer unter anderen Mitarbeitern.


Nach einem halben Jahr Vorbereitung war es dann soweit: Im August 1993 feierten wir den ersten "gottesdienst 08/16" in unserer Beverner Heilig-Kreuz-Kirche. Etwa 100 Menschen ließen sich dazu einladen. Seitdem findet dieser Gottesdienst mit dem Motto "farbig, fröhlich, feierlich - und manchmal auch frech" an jedem 2. Sonntag im Monat um 19.00 Uhr in unserer Dorfkirche statt. Während sich dort zu den traditionellen Morgengottesdiensten durchschnittlich etwa 30 Menschen versammeln, reichen die 220 vorhanden Sitzplätze beim "gottesdienst 08/16" inzwischen nie aus. Der Gottesdienst, den diese Menschen erleben, hat eine "etwas andere" Liturgie:

Nachdem die Gäste von mir als Ortspastor locker begrüßt wurden, führt einer unserer Mitarbeiter als Moderator durch den Gottesdienst. Seine Aufgabe besteht unter anderem darin, jeweils kurz zu erklären, welchen Sinn die einzelnen Gottesdienst-Bausteine haben.

Die gemeinsame "Zeit des Gebets" wird beispielsweise so eingeleitet: "Beten ist Reden mit Gott. Dem können wir alles sagen, was uns bewegt. Nachdem zunächst zwei unserer Mitarbeiter laut mit uns beten, haben wir eine Zeit der Stille. Dann kann jeder leise bzw. in seinem Herzen persönlich mit Gott reden. Wir laden Sie ein, die Zeit des Gebets mit einem gemeinsamen Gebet zu beenden. Es ist das sogenannte 'Vaterunser'. Der Text ist auf den ausliegenden Gottesdienst-Fahrplänen abgedruckt."

Die Musik und das Singen spielen eine wichtige Rolle im "gottesdienst 08/16". Wir machen die Erfahrung, daß sie eine Art "Türöffnerfunktion" für die Herzen unserer Besucher haben. Im Blick auf unsere Zielgruppe verzichten wir bewußt auf Orgelmusik! Eine kleine Band (Klavier, Gitarren, Querflöte) begleitet unsere modernen christlichen Lieder.

Unser Impulsteam setzt sich intensiv mit dem Bibeltext für die Predigt auseinander und bereitet für jeden Gottesdienst eine Art Anspiel vor. So sollen erste Gedanken zum Thema der Ansprache angerissen werden.

Die Predigt wird in der Regel von mir (Pastor Heino Masemann) gehalten. Ab und an predigen aber auch andere Leute aus unserem Team. Ich predigte bewußt und deutlich Bekehrung. Nicht aufdringlich, aber doch so dringlich, wie sie ist. Schließlich sind "Menschen, die von Gott getrennt sind" immer auch für die Ewigkeit von ihm getrennt. Und dagegen hilft nur die persönliche Hinwendung zu Jesus Christus Es ist wunderbar zu erleben, daß durch den "gottesdienst 08/16" Menschen ermutig werden, bewußt den Schritt in die Nachfolge von Jesus zu wagen.

In unserer "Speaker's Corner" kommt ein Interviewgäste zu Wort. Er wird jeweils im Vorfeld ausgewählt. Der Moderator befragt diese entschiedenen Christen zu seinen Erfahrungen mit Gott im Alltag.

Im Anschluß an den "gottesdienst 08/16" besteht das Angebot der persönlichen Segnung in einem separatem Raum. Außerdem laden wir in unserer Kirchenbistro auf der Kirchenempore ein. Dort besteht bei einer Tasse Kaffee oder Tee und Gummibärchen (nicht umsonst, aber kostenlos) die Gelegenheit zum Klönen über Gott und die Welt.

Diese Gottesdienst-Bausteine und das ganze Drumherum werden in der monatlich tagenden Vorbereitungsgruppe (etwa 12 Personen) jeweils angedacht und auch nachbereitet. Eine Mitarbeiterin hält die Ergebnisse dieser Treffen fest und schickt jedem Beteiligten ein Protokoll.

Wir merken übrigens, daß es uns nicht leicht fällt, über längere Zeit bewußt zielorientiert zu arbeiten. Dies hängt sicherlich auch damit zusammen, daß die Fluktuation in unserem Team sehr stark ist. Da viele junge Christen dazugehören (die immer wieder Kreativität und Schwung einbringen!), haben wir gerade nach den Sommerferien einen schulisch oder beruflich bedingten Wechsel im Mitarbeiterkreis.

Es gehört zu den Aufgaben des sogenannten "Organisationsteams", im Mitarbeiterkreis immer wieder das eigentliche Konzept in Erinnerung zurufen und und die Arbeit dementsprechend zu strukturieren. Der Orga-Kreis bestehend aus einigen leitenden Mitarbeitern und mir (Pastor Heino Masemann) koordiniert die Arbeit zwischen den monatlichen Vorbereitungstreffen.

Sowohl in der Vorbereitungsgruppe als auch im Orgateam denken wir intensiv über Werbung und Öffenlichkeitsarbeit nach. Jeder "gottesdienst 08/16" wird auf mehrfache Art in den lokalen Tageszeitungen und Anzeigenblättern angekündigt. Wir haben festgestellt, daß unsere Zielgruppe von Werbung positiv angesprochen wird. Dazu zählen auch unsere "Fan-Artikel" wie 08/16-Frühstückstassen, 08/16-Kullis und 08/16-T-Shirts oder unsere Internetseiten über den Server der Hannoverschen Landeskirche (http:/www.evlka.de/extern/gottesdienst0816)

Mir ist klar, daß ein (gutbesuchter) Gottesdienst für entkirchlichte Menschen noch keinen Gemeindeaufbau macht. Nicht zuletzt deswegen haben wir in unserer Gemeinde weitere Angebote im Zusammenhang mit dem "gottesdienst 08/16" angestoßen bzw. auf den Weg gebracht.

Seit April diesen Jahres findet zusätzlich einmal im Monat der "gottesdienst 08/16 minimaxi" statt. Er wird am 3. Sonntag im Monat um 11.15 Uhr gefeiert und ist ebenfalls übergemeindlich ausgerichtet. Der "08/16 minimaxi" und möchte an die mit dem "gottesdienst 08/16" begonnene Arbeit anknüpfen, sie fortsetzen und vertiefen. Der Zusatz "minimaxi" soll signalisieren, daß dieser Gottesdienst besonders die Situation von Familien mit kleineren Kindern berücksichtigen möchte: Hier sollen die Großen (die Maxis) gemeinsam mit den Kleinen (den Minis) Gottes Liebe und Herrlichkeit feiern können. Die bisherige Resonanz zeigt interessanterweise, daß wir mit diesem Angebot größtenteils ganz andere Leute als mit dem "traditionellen" 08/16 ansprechen. Und das, obwohl zahlreiche Elemente beider Gottesdienste identisch sind. Für den Herbst ist ein Grundkurs des Glaubens (Titel "Die Farben des Regenbogens") geplant. Danach werden wir Hauskreise, genannt: "regenbogen-Gruppen", anbieten.

Wir wissen, daß die Nacharbeit dieses Gottesdienstes noch viele Wünsche offen läßt. Aber mehr schaffen wir zur Zeit einfach nicht! Schließlich sind, bis auf meine Person, alle Mitarbeiter Ehrenamtliche, die auch noch in der Schule, im Beruf oder in der Familie gefordert werden.

Natürlich gibt es auch Kritiker des "08/16- Konzeptes". Manchen Christen ist dieser Gottesdienst einfach zu unruhig. ("Das ist ja wie in der Disco" sagen die einen. "Das erinnert mich an die Atmosphäre auf Kirchentagen" meinen die anderen.) Theologen aus Nachbargemeinden geben zu bedenken: "Liturgie ist ein Schatz der Kirche, in dem Wichtiges aufgehoben ist." Den Gottesdienstbesuchern dürfe bei aller Freude am Experimentieren nicht die Freude des Wiedererkennens der bekannten Formen und Gesänge genommen werden. Oder sie warnen vor einer Einseitigkeit, die sich ausschließlich in Gefühlen badet, in dem Bedürfnis "gut drauf zu sein, sich wohlzufühlen". Diese Kritiker schlagen stattdessen vor, daß "die neuen Formen gleichsam in homöopathischen Dosen in die Liturgie einfließen" solle. Die neue Gottesdienstordnung biete da schon hinreichend Freiheiten.

Ich selbst feiere auch den traditionellen Sonntagmorgen- Gottesdienst sehr gern. Allerdings halte ich ihn nur für eingeschränkt "reformierbar". Zudem ist er restlos überfordert, wenn er der eine Gottesdienst für alle sein soll. Daher plädiere ich für ein bewußtes "zweites Gottesdienst-Programm" in unseren Gemeinden. Die Fernsehsender haben uns das vorgemacht: Es gibt inzwischen mehr als noch drei Programme. Der "Bedarf" ist offensichtlich da. Und die Privaten laufen den Öffentlich- rechtlichen längst den Rang ab...

Zum Schluß: Manchmal werde ich nach "Erfolgsrezept" des "gottesdienst 08/16" gefragt. Dann denke ich zum einen an die klare Zielsetzung, die dahintersteckt. Und zum anderen an unserer Team mit seinen vielfältigen Gaben und meiner bewußt ausgeübten Leitungsfunktion. Letztlich aber kann ich in diesem Zusammenhang nur an den Wochenspruch für Pfingsten erinnern: "Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen, spricht der Herr Zebaot" (Sach 4,6).