08/16: Der etwas andere Gottesdienst

Viele Gemeinden fragen sich immer wieder und zu Recht wie man den heutigen kirchendistanzierten Menschen erreichen kann. Eine Kirchgemeinde in Deutschland hat sich dieser Herausforderung gestellt. 08/16 heisst ihr Gottesdienst und richtet sich an ein Publikum, das sonst bestimmt keinen Schritt über eine Kirchenschwelle setzen würde

In Anlehnung an die Spionage-Romanreihe «08/15», die heute Inbegriff des Normalen, Immergleichen und auch Langweiligen ist, hat die lutherische Kirche Bevern in Deutschland (eine pietistisch geprägte Gemeinde) einen Gegenpunkt gesetzt. 08/16, hinter diesem ungewöhnlichen Namen verbirgt sich der etwas andere Gottesdienst. Jeden zweiten Sonntag im Monat geben die Veranstalter ihr Bestes, um Kirchendistanzierte zu erreichen. Und bis gegen 300 Besucher(innen) folgen der Einladung und sorgen so für viel Farbe im Gottesdienst. Farbig, fröhlich, feierlich und manchmal auch eine ganze Portion frech soll er sein, der 08/16-Gottesdienst im Norden Deutschlands.

«Wir möchten Menschen zwischen 20 und 45 Jahren ansprechen, die der Kirche distanziert gegenüberstehen. Menschen, die aber auf der Suche nach einem sinnvollen Leben sind, die mit Gott noch nicht fertig sind», so Pastor Heino Masemann. Diese Leute sind in den traditionellen Gottesdiensten und Gemeindeveranstaltungen kaum zu finden.

Junge Leute wünschen sich zudem einen Gottesdienst, den sie verstehen, den sie mitfeiern können und zu dem mit guten Gewissen Freunde mitgebracht werden können. Und genau diesen Aspekten tragen die Veranstalter Rechnung. Alle Abläufe und Elemente des Gottesdienstes sind für jeden und jede verständlich. So erhält beispielsweise jeder Besucher ein Gottesdienstprogramm in die Hand gedrückt.

Junges Programm für ein junges Publikum

Das Programm ist auf das mehrheitlich junge Publikum zwischen 15 und 40 Jahren zugeschnitten. Und so hat in diesem speziellen Gottesdienst auch die Orgel und das ehrwürdige Kirchengesangsbuch keine Chance. Vielmehr werden moderne christliche Lieder gesungen, begleitet von E-Piano, Gitarre, Querflöte, Saxophon und Gesang. Die Musiker sorgen auch immer wieder dafür, dass durch die Musik und die Lieder Bewegung in den Gottesdienst kommt. In 08/16 darf geklatscht und auch gelacht werden, und im Lobpreis soll Gott gelobt und gepriesen werden. Dabei sollen die Besucher immer wieder neu über Gottes Größe und Herrlichkeit staunen.

Daneben gibt es auch ganz unkonventionelle Elemente: Im «Spea-ker's Corner» beispielsweise gibt's Interviews mit «ganz normalen» Menschen, die über ihren Glauben reden, Anspiele der «Femsehfamilie Schneider», die die Ansprache spielerisch einführt, und zum Abschluss jedes 08/16-Gottesdienstes gibt es kostenlos Kaffee, Tee und Gummibärchen. Speziell und bunt soll's eben sein.

Kein Ersatzgottesdienst

Dass diese Art von Gottesdienst aber auch zu Kritik geführt hat, ist offensichtlich. Den einen ist es zu laut,

den anderen zu unruhig. Und andere Kirchgemeinden fühlten sich durch die Namensgebung 08/16 angegriffen. Auch Ängste kamen auf, dass der Gottesdienst zur Konkurrenz zum «normalen» Gottesdienst werden könnte. Für die Organisatoren steht fest, dass 08/16 ganz klar kein Ersatz für den «normalen» Gottesdienst ist, sondern ein zusätzliches Angebot für Menschen, die sonst nie eine Kirche betreten würden. Die Idee dieser Gemeindearbeit, die vor vier Jahren ins Leben gerufen wurde, stammt von Pastor Heino Maseman und der Initiativgruppe «gottesdienst 08/16». Heute arbeiten bis zu 20 engagierte Mitarbeiter(innen) zwischen 15 und 40 Jahren aus der Region im Vorbereitungsteam mit, voll motiviert, ihr Bestes zu geben. Das Beste für Gott und das Beste für die jungen Menschen, die sie mit ihren unkonventionellen Gottesdiensten erreichen wollen.

 

Martin Etter, IMPULS 1/98