Der "etwas andere Gottesdienst": Seit fünf Jahren eine Erfolgsstory

Bevern/ Kr. Rotenburg. Keine Orgel tönt im Gottesdienst ,,08/16" durch das überfüllte Kirchenschiff von Bevern. Der evangelische Pastor Heino Masemann tritt ohne Talar auf! Und das Vorbereitungsteam wirbt für den etwas anderen Gottesdienst auch schon mal frech mit dem Spruch ,,garantiert gesangbuchfrei". Mit glänzenden Ergebnissen: Nach bisher mehr als 70 Abenden mit über 18.000 Gästen zählt der Gottesdienst im "08/16"-Format zu den populärsten in Norddeutschland. Masemann spricht von durchschnittlich 250 Besuchern.

Der Gottesdienst, mittlerweile ein absoluter Besuchermagnet, entwickelte sich zur Erfolgsstory in der Provinz. Seit August 1993 haben viele Menschen, die ansonsten kaum noch Kontakt zur Kirche pflegen, ,,08/16" in der Heilig-Kreuz-Kirche Bevern besucht. Gelegenheit dazu ist jeden zweiten Sonntag im Monat ab 19 Uhr. Die Gäste kommen teilweise von weither ,,Das ist etwas, was sich manche gönnen", beschreibt Masemann, der den Gottesdienst mit einem großen Team vorbereitet. Auf Fan-Artikeln wie Tassen, Kugelschreibern und T-Shirts wirbt der Pastor für das ungewöhnlich-neue Happening in alten Kirchenmauern.

Bei den ,,Männergeschichten" am vergangenen Wochenende ging es unter anderem um Bill Clinton und Monika Lewinsky, aber auch um den Saulus, der zum Paulus wurde. Jesus-Männer sind sagenhaft potente Leute, auch wenn sie sich selbst mickrig fühlen und selbst keine Muskelmänner des Glaubens sind", ruft Masemann forsch dem Publikum im vollbesetzten Kirchenschiff zu.

Während des Gottesdienstes wird geklatscht und gelacht. Fröhlichkeit bestimmt die Szene. Die theologische Fachsprache ist Masemann zuwider. Seine Themen sind aktuell, nah dran am Alltag der Menschen, werden anschaulich und klar präsentiert. In Interviews erzählen Gottesdienstbesucher in der geschmückten Kirche von ihren Erfahrungen mit Gott. Nach Ende können sie sich in der Sakristei segnen lassen oder bei Kaffee und Gummibärchen über Gott und die Welt klönen.

Auch mit einem Gebetstisch am Altar setzt Masemann auf ,,erlebnisorientierten Glauben fernab einer nach dem 08/15-Schema organisierten Kirchenordnung. Doch bei allem Erfolg. Mit 08/16 will Masemann den normalen Gottesdienst nicht ersetzen, sondern ergänzen.

,,Wir brauchen zusätzliche Angebote für Menschen, die sonst nie eine Kirche betreten würden. Wir wollen, daß sie einen Zuggang zum Glauben finden und dann möglichst in ihrer Heimatgemeinde Fuß fassen", ist seine Uberzeugung.

,,Die fröhlichen Gottesdienste reißen mich mit"

Wenn Georg Schnackenberg aus Ahlerstedt früher seine Tochter zum Gottesdienst brachte, blieb er stets im Auto sitzen. ,,Ich dachte, es sei ein Jugendgottesdienst." Doch das änderte sich, als ihm die Warterei zu langweilig wurde. Er ging hinein und erkannte: ,,Hier kann ich richtig auftanken." Ihm gefällt neben der Atmosphäre in der stets vollen Kirche besonders ,,die gute Verkündigung". Der Gottesdienst zum Thema ,,Männergeschichten" ist auch für Uschi Klauck aus Ebersdorf nicht das erste 08/16-Erlebnis. ,,Ich war schon öfter da", sagt sie nach Ende der Feier. Es ist vor allen Dingen die Atmosphäre, ,,die mich einfach anspricht". Die Ebersdorferin kommt immer wieder nach Bevern, weil sie durch den fröhlichen Gottesdienst mitgerissen wird.

In der ,,normalen Kirche" ist es für Dana Bos aus Selsingen schlicht ,,langweilig". Aber in Bevern fühlt sie sich wohl. Mit der Gemeinde bindet sie nicht nur, daß Pastor Heino Masemann sie konfirmiert hat. Seit zweieinhalb

Jahren mischt sie auch im 08/16-Team mit, spielt Querflöte im Gottesdienst. Für sie stimmt einfach alles: Die Musik, die Leute und nicht zuletzt ,,die feierliche Atmosphäre".

Dieter Sell, Evangelische Zeitung, 20. September 1998