Gottesdienst nach Schema 08/16

"Fröhlich, farbig und manchmal frech"

Bremervörde (Eigenb.) Normalerweise kann der evangelische Pastor Heino Masemann seine Schäfchen am Sonntag per Handschlag zur Messe begrüßen. 215 Plätze hat seine Kirche in Bevern, und wenn's gut läuft, ist das Gotteshaus zu einem Viertel gefüllt. Einmal im Monat aber platzt die kleine Dorfkirche in der Nähe von Bremervörde aus allen Nähten, dann müssen sogar die Klappstühle aus dem Kirchenfundus aufgestellt werden. Der Grund 08/16.

08/16 das ist kein Versprecher und auch nicht die Fortsetzung eines bekannten Anti-Kriegsromans, sondern der originelle Name für einen originellen Gottesdienst Wir können nicht die Glocken läuten lassen und warten, daß die Menschen kommen, wir müssen uns schon ein bißchen mehr einfallen lassen", sagt Heino Masemann.

Und das sieht dann so aus:

Jeder Besucher erhält eine Art Fahrplan durch den Gottesdienst. Da steht der Ablauf genau drauf, denn: ,,Viele Menschen verstehen den traditionellen Gottesdienst nicht mehr. Wir wollen, daß jeder immer genau versteht, was gerade passiert", sagt Masemann. Der Pastor hält sich dezent im Hintergrund. Die Kirchenorgel ist abgeschaltet, Gitarre, Querflöte und Klavier begleiten moderne Kirchenlieder.

Eine Rubrik von 08/16 heißt "Speaker's Corner". Dann erzählt ein ganz normaler Christ über seinen Glauben. Eine pantomimische Einlage weist auf die Predigt hin, die aber nicht Predigt heißt, sondern Ansprache, und hier werden richtig heiße Eisen angefaßt. Den Fall des Schauspielers Hugh Grant, der sich im Sommer mit einer Prostituierten vergnügte, nahm Masemann zum Beispiel zum Anlaß, das Thema Ehebruch plastisch darzustellen. Als Masemann sagt, er habe die Details des amourösen Abenteuers in der Bildzeitung gelesen, unterbricht ihn das Gelächter der Kirchenbesucher. Und so soll es auch sein. ,,Fröhlich, farbig, feierlich und manchmal auch frech, das sind die Attribute unseres. Gottesdienstes" sagt Heino Masemann.

Farbig wird es vor allem nach dem Gottesdienst, denn dann gibt's Gummibärchen für die Gemeinde, beim Kaffeeplausch auf der Kirchenempore. 08/16 ist nicht die Einmannshow eines vom Missionstrieb erleuchteten Gemeindepastoren, sondern ein Gemeinschaftsprodukt: Zehn bis 15 junge Leute bereiten jeden Gottesdienst vor. Zielgruppe: 15-bis 45jährige Menschen.

,,Heute kann es keinen Gottesdienst mehr für alle geben", sagt Masemann. ,,Unsere Zeit ist so vielfältig, es gibt so viele TV-Programme. Warum soll es nicht auch viele verschiedene Gottesdienste geben?"

Peter Böhmer, Neue Onsabrücker Zeitung, 11.11.1995